Das Auftaktkonzert zu den diesjährigen »SommerMusikWelten« bestritt am Mittwochabend im Kino Traumstern Juliana da Silva. Die Brasilianerin lieferte ein außergewöhnlich stimmiges Jazzkonzert, das mit seinem handwerklich hochwertigen und enorm eingängigen südamerikanischen Rhythmen das Publikum schlagartig in seinen Bann zog.

Nach der Begrüßung des Festival-Publikums durch Vitalina Pucci und Peter Damm vom Vorstand des Veranstalters KünstLich legten die Gäste sogleich los. Es musizierten Henrique Gomide (Keyboards), André de Cayres (Bass) und Pablo Sáec (Schlagzeug). Und schon beim Opener »So tinha que ser com voce« wurden Erinnerungen an das berühmte »Girl from Ipanema« wach. Die Brasilianerin da Silva zeigte sich von Beginn an zugleich entspannt wie hoch konzentriert. Ihre Stimme klang sehr angenehm, sie intonierte professionell genau und wirkte vollkommen gelassen. Die charakteristisch geringen Tonhöhenunterschiede, die Europäer in dieser Musik häufig etwas irritieren, realisierte sie ausdrucksvoll und perfekt.

Der Saal wird mild geflutet

Mit sanftem Groove ging es weiter, eine Hommage an die Jazzlegende Chick Corea war dabei, alles flutete mild und irgendwie friedlich in den Saal. Dabei ereignete sich freilich zugleich ein ununterbrochenes Feuerwerk an instrumentalen Details. Keyboarder Gomide unterstützt das Geschehen einerseits durch stabile ergänzende Arbeit, ein Beispiel an Werkdienlichkeit. Während man noch etwas ungläubig den wunderbaren Klang seines Nord-Keyboards genoss, ging er schon zum ersten solistischen Beitrag über und entfaltete eine wunderbare melodiöse Vielfalt und Energie, die selten ist; ein Genuss, der sich im Laufe des Abends wiederholte. Der nächste Titel »Dica do Armando de shaker« kam dann etwas kraftvoller daher, schneller und sehr tanzbar, wobei man bei diesem Konzert den Fuß permanent wippen lassen mochte.

»Bossa da ladeira« erwies sich anschließend als Ohrenschmeichler. »Batendo a porta« ist eine charmant erzählte Ballade, auch wenn man das Portugiesisch da Silvas nicht verstand. Auch André de Cayres erwies sich auf Kontrabass und Bassgitarre als vielseitiger Musiker, der stets aufmerksam modulierte und zuweilen hörenswerte Soli einpflegte. Insgesamt waren es an diesem Abend jedoch mehr als unbedingt nötig, eine Marotte manch eines Jazzers. Schlagzeuger Sáec schließlich stellte mit seiner differenzierten, abwechslungsreichen Arbeit auch die anspruchsvollsten Zuhörer zufrieden. Er beherrscht die Kunst, sowohl druckvoll als auch leise und expressiv zu spielen, gelegentlich nahm er auch nur die Hände. Die Band insgesamt agierte wie aneinander festgeschraubt, was zu exzellenter Transparenz und mitreißendem Groove führte, nicht selten aber auch beruhigend.

Immer deutlicher wurde unterdes, wie zugewandt Juliana da Silva agierte. In ihren ungemein sympathischen Moderationen, sie lebt in Deutschland, ordnete sie die Titel ein bisschen ein und plauderte über ihre Eindrücke auf der Tour. Sie ruht fest in sich selbst. Eine Qualität, die man auch ihrem Gesang anmerkte. Die Stücke ähnelten einander schon, doch mit ihrer besonders nuancierten und präzisen Gesangsweise – expressiv, doch nie exaltiert – bot sie einen besonderen Reichtum an Details, den man genießerisch zur Kenntnis nahm. So wurde es ein Konzertabend mit fast magischer Qualität.

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